Samstag, 23. April 2011

Verabschiedung oder heute ist Premiere

6 Wochen Probenzeit
18 Blogeinträge
24 Tage in Heilbronn (seit Probenbeginn)
123 Tassen Kaffee (überschlagen)
12 Stück Kuchen (überschlagen)
49 Stunden Zugfahrt
16 digitale Exit Europa - Ordner
88 digitale Exit Europa – Dateien
1 Baustelle vor dem Fenster

und wie das Foto (unten) zeigt: 1 Bauarbeiter in luftiger Höhe. Ich frage mich, ob er aus seiner Perspektive mich umgekehrt an einem Schreibtisch arbeiten sieht. Oder sieht er eine Kupfer-Felsenbirne und dahinter ein Fenster? Was werden Sie sehen, wenn Sie heute oder an einem anderen Tag die Vorstellung „Exit Europa“ sehen? Es heißt, eine Theatervorstellung findet nicht nur auf der Bühne statt, sondern entsteht immer auch im Kopf der ZuschauerInnen, die das Bühnengeschehen auf verschiedene Weisen wahrnehmen und interpretieren. Und in diesem Sinne ist eine Theatervorstellung nicht zu Ende, wenn der Vorhang fällt, sondern sie geht weiter, wenn Sie sich gegenseitig erzählen und darüber austauschen, was sie gesehen haben. Das empfinde ich als einen sehr schönen Moment von Theater. Es gibt auf diese Weise nicht eine Inszenierung, sondern sehr viele Inszenierungen von „Exit Europa“. Und damit verabschiede ich mich aus diesem Blog und wünsche ich Ihnen, den SchauspielerInnen, dem Regisseur und den vielen weiteren MitarbeiterInnen an „Exit Europa“ und mir eine schöne Premiere. Toi Toi Toi.

Mittwoch, 20. April 2011

Stichwort Europa

Zu guter Letzt noch eine kleine Umfrage: Welche Stichworte kommen verschiedenen MitarbeiterInnen hier im Hause in den Sinn, wenn sie an Europa denken? Und welche Stichworte fallen Ihnen sofort ein? Eine Liste, die unendlich fortgeführt werden könnte:

Kultur (Christian Marten-Molnár, Dramaturg)
blau (Birte Werner, Dramaturgin)
blau (Tom Musch, Bühnenbildner)
Zeus (Axel Vornam, Intendant, Regisseur)
Exit Europa (Markus Rack, Hausinspektion)
Exit Europa (Katrin Schröder, Referentin für Marketing)
Uns geht’s so gut (Silke Zschäckel, Pressereferentin)
Flagge mit den Sternchen (Petra Ostermann, Souffleuse)
Wenn das mal gut geht (Sabine Unger, Schauspielerin)
Ich habe Bilder im Kopf und keine Worte (Stefan Eichberg, Schauspieler)
Ich sehe die Karte, den Umriss (Vera Högemann, künstlerische Betriebsdirektorin)
Reisen (Ute Raab, Choreografin)
EU (Franko Freese, Koch Theaterkantine)
EU Carsten Bänfer (Leiter der Tonabteilung)
Verständigung (Julika van den Busch, Regieassistentin)
Wahl (Rainer Hartmann, Pforte)
Vereinigung (Karl Daubenthaler, Bühnenmeister)
Euro (Ralph Pinkert, Tontechniker)
Euro (Claudia Specht, Requisiteurin)
Europleite (Ingrid Richter-Wendel, Schauspielerin)
Imperium (Peter Schleder, Tontechniker)
Mittelmeer (Arianne Gambino, persönliche Referentin des Intendanten)
Auszeit (Maja Das Gupta, Theaterpädagogin und Dramaturgin)
...
...

Montag, 18. April 2011

Ausblick auf die Premiere

Bevor die Endprobenwoche richtig losgeht und auf die 1. Hauptprobe, 2. Hauptprobe und Generalprobe schließlich auch die Premiere folgt, noch eine kurze Zusammenfassung bzw. einen Ausblick auf weitere Texte, die in „Exit Europa“ eine Rolle spielen. Die Stückcollage beginnt, wie schon in einem anderen Eintrag erwähnt, mit der Französischen Revolution und dem ganz und gar nicht unblutigen Kampf um bürgerliche und demokratische Werte – und das anhand von Ausschnitten aus Georg Büchners Stück „Dantons Tod“, Büchners Briefen und Originalreden von Robespierre, Danton, Saint Just und Mirabeau. Im zweiten Teil wird mit Ausschnitten aus Ernst Tollers Stücken „Maschinenstürmer“ und „Masse Mensch“ der Blick auf die Industrialisierung gelenkt und auf die damit einhergehenden Ideale: technischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum, die bis heute fortwirken. Dem folgt die Szene „Mann im Fahrstuhl“ aus Heiner Müllers Stück „Der Auftrag“, die den kleinen Angestellten unverhofft auf einer Dorfstraße in Peru zurücklässt. Und so sind wir mittendrin in „Problema“, einem Film von Ralf Schmerberg über die vielen Fragen angesichts einer globalen Krisenlage, auf die es nicht die eine richtige Antwort zu geben scheint. Leonce aus Georg Büchners Stück „Leonce und Lena“ ist dieser Fragen und Sorgen längst überdrüssig. „Was wollen Sie von mir“, fragt er provokativ in die Runde und zieht sich auf einen weltvergessenen Genuss der Gegenwart zurück. Das scheint dem Engel der Geschichte, den Walter Benjamin anhand des Aquarells „Angelus Novus“ von Paul Klee beschreibt, verwehrt. Der Sturm des Forschritts treibt ihn unaufhörlich in die Zukunft, während sein entsetzter Blick auf die Trümmer der Vergangenheit gerichtet bleibt. Aber ist sie denn überhaupt berechtigt – die Sorge um die eigene und gesellschaftliche Zukunft? Es wird ein Tag in Heilbronn dokumentiert, mit Hilfe von Tagesprotokollen Heilbronner Bürger und Bürgerinnen. Und Kathrin Röggla untersucht in ihrem wunderbaren Stück „draußen tobt die dunkelziffer“ humorvoll den aussterbenden Mittelstand und das Wesen von Kreditblasen. Nicht nur der Mittelstand stirbt, die ganze gesellschaftliche Ordnung, wie wir sie kennen, liegt im Sterben, meint das Unsichtbare Komitee in seinem Manifest „Der kommende Aufstand“ und ruft dazu auf, dieses Ende gewaltsam zu beschleunigen. Schließlich bleiben nur drei Narren zurück – mit Büchners („Dantons Tod“) und Tollers („Hinkemann“) Zweifeln und Fragen an der/die Grundverfasstheit des Menschen.

Mittwoch, 13. April 2011

Zurück zum Text und zu den verflixten Idealen

„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Die heilige Dreieinigkeit aller revolutionären Brüllaffen“, schreibt Herbert Müller-Guttenbrum in seinem „Alphabet des anarchistischen Amateurs“. Ich kann dieser Ironie durchaus viel abgewinnen, denn wenn man mal ehrlich ist: diese Ideale sind doch immer schneller ausgesprochen als gelebt. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – wollen Sie das, will ich das wirklich? Und zwar in einem umfassenden Sinne - das heißt, es würde hier nicht nur um die eigene Freiheit, sondern auch um die Freiheit der anderen gehen. Fühlen Sie sich gleich mit jedermann und jederfrau und wenn nicht: Würden Sie sich überhaupt gleich fühlen wollen? Jetzt werden vielleicht einige einwenden: Naja, gleich und gleichberechtigt – das sind zwei verschiedene Dinge – und das stimmt ja auch. Nur – reicht es aus, dass der Arme und der Reiche vor dem Gesetz gleich sind – oder schlägt ihr Herz insgeheim für eine gesellschaftliche Umverteilung? Im Alphabet des anarchistischen Amateurs steht: „Vor dem Gesetz sind alle gleich! Das klingt großartig. Aber so lange es Menschen gibt, die vor dem Leben nicht gleich sind, haben sie auch vor dem Gesetz nicht gleich zu sein. Und wenn ein Reicher stiehlt, so tut er nicht dasselbe wie ein Armer, der stiehlt.“
Und wie ist es um die Brüderlichkeit bestellt? Wollen Sie jedermanns/ jederfraus Bruder oder Schwester sein? Also sich auch mit denen solidarisieren, die Sie vielleicht nicht leiden können, denen es viel schlechter als Ihnen geht, und auch mit denen, die sich Ihrer Ansicht nach selbst vielleicht eher unbrüderlich verhalten? Oder glauben Sie gar, es gäbe keine Unbrüderlichkeit mehr, wenn erst einmal das mit der Gleichheit geklärt wäre? Viele Fragen, keine Antworten und zum Schluss noch ein Zitat von Herbert Müller-Guttenbrum: „Brüderlichkeit: Eine sagenhafte Sympathie, die man kaum noch zwischen Brüdern findet; geschweige denn zwischen fremden Menschen“.

Dienstag, 12. April 2011

Visuelles II

Heute noch einmal Fotos (zwei). Das eine zeigt die Decke des Zuschauersaales nach der Beleuchtungsprobe und das andere einen Teil der 29 Statisten von „Exit Europa“ bei der Arbeit. Apropos Arbeit: Neben den Proben arbeiten sie u.a. noch als Lehrerin, Kosmetikerin, Verkäufer, Krankenschwester, Geschäftsinhaber, Grafikdesignerin, im Haus und Garten und vielen Bereichen mehr...


Statisten bei der Arbeit
Decke des Zuschauersaals

Freitag, 8. April 2011

Visuelles I

Nachdem meine letzten Blogeinträge so textlastig daherkamen, werde ich nun die nächsten zwei Einträge lang ein paar visuelle Probeneindrücke vermitteln. Wobei ich anmerken muss, dass beim Fotografieren natürlich darauf geachtet wurde, nicht zu viel zu verraten. Damit geht ein gewisser Suchbild- oder Rätselbildeffekt einher – aber wie sagt man so schön: im Leben braucht's auch ein paar Geheimnisse...



Ein Schauspieler lernt den Text
Ein Dramaturg kürzt im Text
Musik ist dabei 


Viele Statisten ebenfalls  
Und das Ganze hat mit Europa zu tun





Donnerstag, 7. April 2011

Der Kommende Aufstand

Mein Freund meinte gestern Abend am Telefon zu mir, er habe meine letzten Blogeinträge sehr gern gelesen, fände aber den Begriff des Rechtsstaates im Zusammenhang mit der Kohlhaasgeschichte etwas irritierend. Der Einwand ist im historischen Sinn nicht von der Hand zu weisen, schließlich spielt die Erzählung im 16. Jahrhundert, da gab es den Rechtsstaat, wie wir ihn heute kennen, noch nicht. Und doch geht Kohlhaas am Anfang der Geschichte davon aus, dass der Staat bzw. das Gesetz ihm Gerechtigkeit verschaffen und sein Eigentum schützen werde.
Davon gehen die Autoren des „Kommenden Aufstandes“ längst nicht mehr aus – weder empfinden sie den Staat als gerecht (sie meinen die europäischen Rechtsstaaten in der heutigen Form), noch halten sie viel vom Eigentum bzw. dem kapitalistischen Wirtschaftsystem. Am Anfang ihres Manifestes heißt es: „Aus welcher Sicht man sie auch betrachtet, die Gegenwart ist ohne Ausweg. (...) Denjenigen, die unbedingt hoffen möchten, raubt sie jeden Halt. Diejenigen, die vorgeben Lösungen zu haben, werden sofort entkräftet. Es ist bekannt, dass alles nur noch schlimmer werden kann.“ Der Staat hat in ihrer Analyse jede positive Zuschreibung verloren. Politiker agieren nur noch als „Hampelmänner“, die von Marketingabteilungen durchchoreografiert werden, die Institutionen des Staates (von der Schule, über das Arbeitsamt bis hin zum Polizeiapparat) sind Instrumente der Disziplinierung und Unterwerfung, sie schüren soziale Ungerechtigkeiten und entfremden in ihrer wirtschaftslobbyistischen Verklärung der flexiblen Arbeitswelt das Individuum von Heimat und seinen Mitmenschen. Und darüber hinaus - sobald es zu Unruhen und Demonstrationen wie in Frankreich oder Griechenland kommt, zeigt der Staat ein äußerst gewaltbereites Gesicht.
Das Manifest erschien zuerst 2007 in französischer Sprache, in den letzten zwei Jahren wurde es in verschiedene Sprachen übersetzt und fand zunächst über das Internet große Verbreitung. Inzwischen ist es auch in vielen Buchhandlungen zu finden. Die deutsche Ausgabe, die im Herbst 2010 erschien, wurde in sämtlichen Feuilletons rezensiert, die meisten Kritiker besprachen es als treffende Analyse eines gesellschaftlichen Unbehagens. Nur wenige Kritiker gingen auf die radikalen Schlussfolgerungen und die antidemokratische Haltung ein, die für die Autoren aus der Analyse folgen. „Man hat sich unserer Eltern bedient, um diese Welt zu zerstören, nun möchte man uns an ihrem Wiederaufbau arbeiten lassen, und der soll noch dazu profitabel sein. (...) Wir werden uns nicht von denen berauben lassen, die die Krise verursacht haben. Das "Ende der Zivilisation" geschehe! Auf dass wir früher als erwartet an die Grenzen der Ölreserven gelangen, auf dass wir einer großen sozialen Unordnung entgegengehen.“
Was passiert, wenn der Staat zunehmend als ungerecht und das Wirtschaftssystem als Form der Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur empfunden werden? Was passiert, wenn demokratische Werte nicht mehr glaubwürdig sind? Das „Unsichtbare Komitee“ spricht von einem Aufstand, von einem Krieg der Jugend gegen den Staatsapparat und die Vorstandsetagen. Demokratischen Entscheidungsprozessen können die Autoren nichts abgewinnen. Das ist beunruhigend. Aber auch die vielen positiven Reaktionen auf das Manifest und die Fragen, die damit einhergehen, sind beunruhigend. Und deshalb haben wir Teile aus dem „Kommenden Aufstand“ in die Textfassung genommen. In der Hoffnung, dass der Aufruf zur Zerstörung des bestehenden Gesellschaftssystems für alle Demokratiebefürworter im Publikum alarmierend wirkt und sie sich umso mehr für Reformen engagieren, die nicht im lateinischen Sinn auf die „Wiederherstellung alter Zustände“ abzielen, sondern auf eine gewaltlose Umgestaltung ungerechter Verhältnisse. Das mag in manchen Ohren nach einem äußerst naiven Handlungsoptimismus klingen, aber sei es drum.

Mittwoch, 6. April 2011

Heiligt der Zweck jedes Mittel?

Vor zwei Wochen habe ich in einem Zimmertheater in Berlin (Theater am Schlachthof) eine wunderbare Inszenierung von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ gesehen. Mit Hilfe eines Schauspielers, einer Handvoll Puppen, einer kleinen verstaubten Landkarte und mit den Zuschauern als Statisten wurde der Ausbruch eines vormals rechtschaffenden Bürgers aus den gesellschaftlichen Verabredungen vorgeführt. „Aufstand eines Anständigen“ heißt die Inszenierung (Henrike Kochta/ Eckhard Greiner) im Untertitel. Und tatsächlich hält der Pferdehändler Kohlhaas anfangs sehr viel von dem Rechtsstaat, in dem er lebt. Doch als ihm ein Junker Unrecht antut und alle Bemühungen Kohlhaas, auf legalem bzw. juristischem Wege Gerechtigkeit zu erlangen, an Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft scheitern, nimmt er das Gesetz selbst in die Hand. Er zieht in den Kampf gegen den Junker, brennt in seinem Rachefeldzug Burgen und Häuser nieder, tötet die Bewohner, wer nicht für ihn ist, wird zum Feind. „Hatte er wirklich nur diese beiden Möglichkeiten“, fragt das Programmheft der Inszenierung: „Ein stiller Erdulder des Unrechts zu werden oder ein Terrorist?“
Ich bin ja eigentlich eine Verfechterin der Gewaltfreiheit und das bringt mich oft in arge Dilemmata. Denn wie geht man mit Unrecht bzw. mit Gewaltzuständen um, die man scheinbar nicht ohne Gewalt beenden oder verändern kann? Ist die pazifistische Haltung dann eine passive oder gar verantwortungslose Haltung? „Ich seufze, ich beweine das Schicksal so vieler unglücklicher Opfer, aber wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehenbleibt, leistet Widerstand, als trät er ihr entgegen“, sagt Camille in „Exit Europa“ und heiligt damit ebenfalls die Gewalt als Mittel zum Zweck (hier der Französischen Revolution). „Sind wir denn nicht in einem ewigen Gewaltzustand?“, fragt er weiter und an einer anderen Stelle in unserer Textfassung heißt es: „Wenn das Dasein der Mehrheit so beschwerlich ist, dass sie es nicht mehr aushalten kann, dann bricht der Aufstand der Bedrückten gegen die Bedrücker los“.
Kann man überhaupt friedlich gegen einen Gewaltzustand aufbegehren? Es ist ja nicht so, dass die Vertreter der alten Ordnung angesichts eines Aufstandes sagen würden: Okay Leute, wir haben es verstanden, die Mehrheit möchte also die bisherige politische Ordnung nicht mehr, dann treten wir mal geschwind zurück und belassen euch auch noch die Staatskasse. Stattdessen wird in der Regel die Armee ins Feld geschickt, um die Aufständigen niederzuschießen oder wenigstens niederzuhalten. Und manchmal gehen sich die Revolutionäre auch gegenseitig an den Kragen: Camille wird 1794, mit gerade mal 34 Jahren, geköpft und seine 23jährige Frau, welche die Hinrichtung öffentlich anprangert, wird einige Tage später ebenfalls aufs Schafott gebracht. Die Autoren des „Kommenden Aufstandes“, dem Manifest aus Frankreich, das ich letzte Woche erwähnt habe, halten den Pazifismus übrigens für die Theoretisierung einer Ohmacht. Wurde mit der französischen Revolution die bürgerliche Gesellschaft und unsere heutige Form der Demokratie auf den Weg gebracht, plädieren sie nun für deren umfassende Zerstörung. Die Demokratie sei eine Form der politischen Anästhesie und der Verwaltung von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. „Es wird keinen friedlichen Aufstand geben“, schreiben sie. Das klingt fast wie die Devise eines Michael Kohlhaas: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Aber mehr dazu morgen.

PS: Liebe Hausinspektion: Herzlichen Dank für das Kupfer-Felsenbirnen-Marmeladenrezept, ich bin sehr dafür, es auszuprobieren, der Christian Marten-Molnár hat zwar Bedenken wegen der Abgase geäußert (der Baum liegt ja nunmal an einer großen Verkehrsstraße), aber ich denke, die Himbeeren im Rezept gleichen das vielleicht wieder aus. Und wir leben ja nunmal mit Verkehrstraßen und Autos und so. Muss das so sein? Demnächst komme ich jedenfalls mal auf einen Kennenlernkaffee vorbei.

Freitag, 1. April 2011

Die Kupfer-Felsenbirne

Kaum habe ich das Foto eines namenlosen Baumes ins Netz gestellt, kommt auch schon ein Kommentar. Von der Abteilung „Hausinspektion“ des Theaters. Die  Mitarbeiter der Abteilung achten darauf, dass im Haus alles funktioniert – vom Fenster bis zur Heizung, erklärt mir Katrin Schröder, die Referentin für Marketing. Außerdem kennen sie sich anscheinend mit Bäumen aus und lesen meinen Blog. Das freut mich sehr. Es ist also eine Kupfer-Felsenbirne, schreiben sie. Da steige ich doch gleich drauf ein und schaue im Internet nach weiteren Informationen. In Norddeutschland wird der Baum auch Korinthenbaum genannt, ursprünglich kommt er aus Nordamerika. Die Botanik ist eine Ansammlung von schönen Namen – schon deshalb lohnt sich eine Beschäftigung damit. Bei Wikipedia steht weiter, dass die Früchte der Kupfer-Felsenbirne ungiftig und wohlschmeckend sind. Sollten da also im Herbst wirklich Birnen vor dem Dramaturgiebüro hängen und Christian Marten-Molnár hat sie noch nicht bemerkt? Aber nein, lese ich weiter, die kugeligen Früchte werden vor allem von Vögeln - z. B. von Drosseln, Staren oder Tauben gefressen – und doch – es wird abermals erwähnt, dass sie angenehm süß schmecken. Liebe Hausinspektion, ich bin verwirrt, kann man diese Früchte nun als menschliches Wesen ebenfalls essen oder sind sie den Vögeln vorbehalten?
Ich weiß, dieser Ausflug in die Pflanzenkunde hat jetzt nicht wirklich etwas mit „Exit Europa“ zu tun, deshalb sei diesem Eintrag noch ein Zitat von Jacob Grimm beigefügt, aus seinem Vortrag: „Über den Ursprung der Sprache“ von 1851 (zitiert nach der insel-taschenbuchausgabe 1985). „Wenn bienen ausgeflogen sind um honigstoff einzuholen und sich auf eine heide niederlassen, von welcher sie immer zu rechter zeit und sicher den heimweg nach ihrem stock nicht verfehlen; mag es einzelne unter dem schwarm geben, die sich ein paar hundert schritte abwärts verfliegen und in der irre zugrunde gehn: ihnen ist die kleine freiheit verderblich geworden.“ Die Freiheit ist ihnen verderblich geworden – da denke ich doch nicht nur an Bienen, sondern gleich auch an Robespierre, St. Just, Danton, Camille – und die Guillotine der französischen Revolution. Womit wir wieder beim Thema wären, das für die nächste Woche lautet: „Der Kleinmut der Reformer oder das Blutbad der Revolutionen.“ Klingt zu groß? Ist es auch. Mir wächst das Thema jedenfalls regelmäßig über den Kopf. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang lautet: Heiligt der (idealistische) Zweck die/jedes Mittel? U.a. wird dann auch ein weiterer Auszug aus der Textfassung vorgestellt: „Der kommende Aufstand“, ein politisches Manifest aus Frankreich, geschrieben von einem „unsichtbaren Komitee“. Und dann muss ich irgendwann auch noch von der Freiheit zur Gleichheit und von der Gleichheit zur Brüderlichkeit überleiten. Aber es sind ja auch noch 23 Tage bis zur Premiere. Jetzt erstmal allen LeserInnen und mir  (und insbesondere der Hausinspektion) ein schönes Wochenende.