Mittwoch, 23. März 2011

Die Systemfrage

„Rettet die Wale und stürzt das System, trennt euren Müll, denn viel Mist ist nicht schön“, heißt es in einem Lied von Gustav. Hinter diesem Namen verbirgt sich die Wiener Musikerin Eva Jantschitsch. Ihr wunderbares und durchaus mit dem Augenzwinkern der Ironie versehenes Lied stellt einmal mehr die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen und der Vielen in den Raum. Rettet die Wale und stürzt das System... Bei Wikipedia steht, Systeme seien eine Gesamtheit von Elementen, die aufeinander bezogen sind und wechselwirken, d.h. Systeme organisieren und erhalten sich durch Strukturen. Ein System scheint also ein luftiges und gleichzeitig sehr wirksames und stabiles Gebilde zu sein. Vergleichbar vielleicht mit einem Magnetfeld, das man nicht sieht, das aber enorme Kräfte entwickelt. An der Universität habe ich vor allem jene Texte gelesen, in denen in Bezug auf Gesellschaftssysteme behauptet wird, es gäbe kein Außerhalb der Gesellschaft und der Geschichte, in der man lebt, es gäbe keine Insel und auch keinen Rand, wo man sich verstecken könnte, man sei immer mittendrin in diesem Geflecht aus Strukturen, immer ein Teil davon, selbst wenn man es kritisiere. Aus einer solchen Haltung oder Weltsicht heraus werden zu einfache und personalisierte Feindbilder (der böse Kapitalist oder der gierige Spekulant) schnell absurd, denn man kann zwar durchaus das System der Geldwirtschaft oder des Kapitalismus kritisieren, muss sich dabei dann aber auch eingestehen, dass man selbst daran beteiligt ist, dass das System der Geldwirtschaft durch einen selbst hindurchgeht, durch das eigene Bankkonto, auch durch meine Arbeit als Gastdramaturgin hier, für die ein Arbeitsvertrag aufgesetzt und eine Vergütung festgelegt wurde, mit der ich wiederum in Berlin meine Wohnung bezahle, meine Rentenversicherung (Aktienhandel!) sowieso und selbst noch meinen monatlichen Mitgliedsbeitrag bei Greenpeace. Das Dilemma an einer solchen Weltsicht ist also auch, dass man schwerlich zu einfachen Lösungen oder Antworten kommt, wenn alles immer mit allem in Beziehungen steht. Stattdessen stellen sich viele Fragen und mitunter sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Auch das wird ein Thema in „Exit Europa“ sein: Das Gefühl der Handlungsohnmacht zuweilen, das Gefühl der Überforderung, wenn man die Zeitung aufschlägt oder den Fernseher einschaltet und vor lauter Fragen und Problemen kaum noch Antworten sieht und die Sehnsucht ganz groß wird - nach einfachen Lösungen. Danach – die Wale retten zu können und zwar selbst und sofort.